Warum wir eine Technikzeitschrift fĂĽr Frauen brauchen

Nur drei Prozent der Leser/-innen des Innovationsmagazins „Technology Review“ sind weiblich. Bei der Computerzeitschrift „c’t“ sieht es mit einem Leserinnenanteil von acht Prozent nicht viel besser aus. Doch warum ist das so? Interessieren sich Frauen einfach nicht fĂĽr Technik? Eine Studie zweier Studentinnen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: Das Interesse der Frauen ist gegeben – sie werden durch die aktuelle Technikberichterstattung nur nicht adäquat angesprochen.

Im Rahmen ihrer Masterthesis im Studiengang Technik- und Innovationskommunikation untersuchten Sabine Schmidt und Juliane Schneider in Kooperation mit dem Life&Brain Center, einem An-Institut der Universität Bonn, die impliziten und expliziten Einstellungen von Frauen zum Thema Technik. Um die impliziten – also die unbewussten – Einstellungen gegenĂĽber Technik zu messen, nutzten sie den Impliziten Assoziationstest (nach Greenwald et al. 1998), ein computerbasiertes Verfahren aus der Sozialpsychologie, welches die Stärke der kognitiven Assoziation zwischen zwei Dimensionen (z.B. Technik/Mode und männlich/weiblich) anhand von Reaktionszeiten misst. Dabei kamen sie zu einem ĂĽberraschenden Ergebnis: die Probandinnen assoziierten auf der begrifflichen Ebene nicht Mode, sondern Technik stärker mit Weiblichkeit. So ordneten sie Worte wie „Digitalkamera“, „Smartphone“ und „Auto“ tendenziell schneller weiblichen als männlichen Begriffen zu. Worte wie „Kleidung“, „Schmuck“ und „Laufsteg“ wurden der weiblichen Dimension im Durchschnitt weniger schnell zugeordnet.

Ein zweiter Test zeigte jedoch, dass Bilder von Männern in technischen oder handwerkenden Situationen eher mit positiv konnotierten Worten wie „kompetent“ oder „geschickt“ in Verbindung gebracht wurden. Bilder von Frauen in ähnlichen technischen oder handwerkenden Situationen wurden stärker mit negativ behafteten Adjektiven wie „laienhaft“ oder „inkompetent“ assoziiert. Unbewusst wird die Kompetenz im Umgang mit der dargestellten Technik von den 39 Probandinnen im Alter von 18 bis 55 im Bildertest noch eher den Männern zugeordnet. Das Abbild eines handwerkenden oder technisch agierenden Mannes wirkt vertrauter. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass Bilder die Einstellung zu einem bestimmten Thema stärker prägen als Worte. Auf der Ebene der Visualisierung besteht also noch Handlungsbedarf. Die Medien bieten die Chance, geschlechterstereotype Rollenbilder zu verändern. Dazu könnte eine Technikzeitschrift fĂĽr Frauen ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.

Das Scheitern der „Smart Woman“

Der Weka Verlag wagte 2016 mit der „Smart Woman“ einen ersten Versuch, eine Technikzeitschrift speziell fĂĽr Frauen auf den Markt zu bringen und scheiterte damit relativ schnell: Die Zeitschrift wurde nach nur einem Jahr wieder eingestellt. Besonders nach der ersten Ausgabe wurde der „Smart Woman“ vorgeworfen, dass sie ein altertĂĽmliches Frauenbild vermittelt. Weitere mögliche Ursachen fĂĽr das Scheitern könnten eine zu breit gewählte Zielgruppe, das zum Teil zu gering eingeschätzte Vorwissen der Leserinnen oder auch Bildkompositionen sein, die die Zielgruppe nicht ansprechen. Um derartige Fehler in Zukunft zu vermeiden, wurden in der Studie von Schmidt und Schneider verschiedene Tests und Befragungen durchgefĂĽhrt (in einer Synthese der Ergebnisse wurden zum Beispiel potenzielle Leserinnengruppen erschlossen).

Technische Inhalte anders aufbereitet

In einem zweiten Untersuchungsschritt wurden die Probandinnen mithilfe eines teilstandardisierten Fragebogens unter anderem zu einer möglichen Gestaltung sowie inhaltlichen Konzeption einer solchen Technikzeitschrift fĂĽr Frauen befragt. Hier wurde deutlich, dass eine genderspezifische Ansprache durchaus funktionieren kann, indem zum Beispiel in der Technikberichterstattung klare BezĂĽge zur weiblichen Lebenswelt hergestellt werden und ein Nutzen der Technik fĂĽr die Leserin deutlich gemacht wird. Dies kann beispielsweise ĂĽber eine emotionalere und persönlichere Ansprache erfolgen. So empfanden die Frauen Ăśberschriften wie „Ingenieurin bastelt an Lebenswerk“ und „Google weiĂź alles ĂĽber dich“ als besonders spannend. Sachliche Ăśberschriften wie „5 Fakten ĂĽber Smartmeter“ und „Apple stellt iPhone X vor“ wurden im Ranking als langweilig bewertet. Bei einer alltagsnahen und lebenspraktischen Themenwahl können aber auch sachliche Ăśberschriften wie „Dachziegel erzeugt Solarstrahl“ das Technikinteresse wecken.

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Smartphone, Kopfhörer und Blumen – fĂĽr die Probandinnen eine ästhetische und stimmige Kombination, die an Musikhören und Entspannung erinnert. /Bildquelle: Pixabay

Bei der visuellen Darstellung von Technik empfanden die Probandinnen ästhetische Bildkompositionen ansprechender als zweckmäßig gestaltete Bilder. Hier kamen vor allem Technikbilder mit Alltagsbezug gut an. Die Authentizität der Bilder stand ebenfalls im Fokus. So wurde zum Beispiel das Bild einer Frau, die sich sexy auf einem Auto räkelt, stark kritisiert – die Frau wirke nicht wie eine Fahrerin. Des Weiteren bewerteten die Probandinnen Technik vor allem in Kombination mit Dekoration, Essen und Getränken, Natur und natürlich mit Menschen positiv. Wurden technische Gegenstände allein gezeigt, empfanden die Frauen das Bild als eher nicht ansprechend.

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Bildkompositionen wie diese empfanden die Probandinnen tendenziell weniger ansprechend und wurden mit den Worten „trist“ und „einsam“ beschrieben. /Bildquelle: Pixabay

Neben dem Bedarf an technischen Inhalten und deren adäquater Aufbereitung konnte durch den Fragebogen zusätzlich ein Kaufinteresse festgestellt werden, welches jedoch nicht als Indikator für das tatsächliche Interesse an einem Technikmagazin für Frauen gesehen werden sollte (an dieser Stelle sind weitere (quantitative) Überprüfungen sinnvoll). Dennoch gaben über die Hälfte (54 %) der befragten Frauen an, dass sie eine Technikzeitschrift speziell für Frauen kaufen und dafür durchschnittlich 2,90 Euro im Monat ausgeben würden. Einige Probandinnen, die ein starkes Technikinteresse aufwiesen, würden hingegen tendenziell keine spezielle Technikzeitschrift für Frauen kaufen, da sie mit dem aktuellen Angebot zufrieden sind.

Die Generation Y als Zielgruppe

Das Durchschnittsalter der Probandinnen, die hauptsächlich Studentinnen waren, lag bei 25 Jahren. Diese zeigten ein vermehrtes technisches Interesse und gaben an, auch in ihrem Studium häufig mit Technik konfrontiert zu sein. In ihrem Alltag spielt vor allem die Kommunikationstechnik eine große Rolle. Diese könnte somit einen möglichen Themenschwerpunkt in einer Technikzeitschrift für Frauen bilden und gibt auch Auskunft über eine starke kommunikative Vernetzung dieser Generation. Informationen zu technischen Fragestellungen werden vor allem über das Internet, in Foren und über Youtube-Videos abgerufen. Ob ein Technikmagazin für Frauen als reines Printerzeugnis erscheinen sollte, war durch die Studie nicht eindeutig festzustellen. Print bleibt zudem häufig eine kommunikative Einbahnstraße, und so bietet sich eine crossmediale Aufbereitung einer Zeitschrift an.

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Crossmedial statt kommunikativer EinbahnstraĂźe: Der GroĂźteil der Probandinnen (n=39) gab unter der Fragestellung „Wo informieren Sie sich ĂĽber technische Themen?“ das Internet als Informationsquelle an (Mehrfachnennungen waren möglich).

Gerade bei der digital affinen Zielgruppe zwischen 20 und 35 Jahren (Generation Y) wären auch ein Onlinemagazin oder ein Blog denkbar, um fĂĽr das Thema zu sensibilisieren und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Eine erste Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis ist der Technik-Blog „Fräulein Ypsilon“, der 2019 online gehen soll und natĂĽrlich auch von Männern gelesen werden darf.

/Juliane Schneider

/Fotos: Nina Leonhardt/Juliane Schneider/Pixabay

/Quellen: Masterthesis: Sabine Schmidt und Juliane Schneider (2018): Die Bedeutung des genderspezifischen Technikzugangs für die Konzeption einer Technikzeitschrift für Frauen – Eine Untersuchung auf Basis computergestützter Messverfahren der Sozialpsychologie zur Erhebung der impliziten und expliziten Einstellungen zum Thema Technik und der Aufbereitung von technischen Inhalten. Studiengang Technik- und Innovationskommunikation (M.Sc.) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Web-Serie ‚Technically Single‘ soll Lust auf MINT machen

Juli, eine emanzipierte Frau, die weiß, was sie will: Elektrotechnik studieren. Als sie aber die Zusage auf einen Studienplatz erhält, findet ihr Freund sie plötzlich gar nicht mehr so cool und serviert sie kurzerhand ab. Das wiederum findet Juli nicht cool, wer will schon gern verlassen werden, also versucht sie, ihren Thorsten zurückzuerobern, natürlich nur, um ihn dann selbst in den Wind zu schießen.

Doch was klingt, wie ein Teenie-Drama, ist eigentlich eine gut durchdachte Mini-Serie mit einem konkreten Ziel: „Technically Single soll jungen Frauen und Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren Lust auf die sogenannten MINT-Studienfächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) machen und mit einigen damit verbundenen Klischees aufräumen“, so die Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF).

TUM und HFF arbeiten zusammen

Die Idee zu der Serie hatte vor etwa vier Jahren der damalige Vizepräsident für Diversity und Talent Management an der Technischen Universität München (TUM), Klaus Diepold. „Helden aus den Ingenieurwissenschaften gibt es viel zu wenig. Heldinnen noch weniger“, sagt er zu der Idee. Mit dem Alumnus der TUM und späteren Creative Producer Tobias Grabmeier, drehte Diepold bereits zuvor mehrere Kurzfilme. Grabmeier trat mit der späteren Produzentin Helena Hufnagel und dem späteren Drehbuchautor und Regisseur Sebastian Stojetz, beide Alumni der HFF, in Kontakt. „Tobias kam dann auf mich zu und gemeinsam haben wir erste Ideen für die Umsetzung entwickelt“, erzählt Sebastian Stojetz. Insgesamt waren über hundert Personen an der Produktion beteiligt, darunter auch die Juli-Schauspielerin Alina Stiegler. Die Finanzierung des Projekts war eine der Hürden, die das junge Team bewältigen musste. Letzten Endes übernahmen dies die TUM, die HFF, der FilmFernsehFonds Bayern sowie weitere Sponsoren. Am 4. Oktober dieses Jahres fand auf den Filmfest Hamburg dann die Weltpremiere statt. Online abrufbar ist die Serie seit dem 13. Oktober.

Web-Serie als Format fĂĽr die junge Zielgruppe

Insgesamt hat die erste Staffel der Serie „Technically Single“ fünf Folgen, die jeweils etwa zehn Minuten dauern, charakteristisch für so genannte Web-Serien. Für dieses Format haben sich die Macher ganz bewusst entschieden, da es gut zum veränderten Mediennutzungsverhalten junger Leute passe, so der Creative Producer. Die Folgen sind zeit- und ortsunabhängig online abrufbar. Entweder über die kostenpflichtige Online-Videothek Maxdome oder kostenlos auf der Internetseite des TV-Senders „Sixx“.

Scully-Effekt: „Akte X“ dient als Inspiration

Ein großes Ziel der Serie ist, junge Frauen stärker für Studiengänge im MINT-Bereich zu gewinnen, ein Ziel, was sich schon viele andere Projekte gesetzt haben. Die Macher von „Technically Single“ setzen dabei auf den aus den USA bekannten „Scully-Effekt“, der auf die Serie „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“ zurückgeht. Denn die Hauptfigur der Serie, Dana Scully, FBI-Agentin und Forensikerin, soll zahlreiche Mädchen und Frauen dazu ermutigt haben, Berufe in den Naturwissenschaften zu ergreifen oder sich in anderen eher männerdominierten Berufen zu behaupten.

Eine Studie des „Geena Davis Institute on Gender in Media“ belegte in diesem Jahr, dass TV-Serien tatsächlich Wirkung auf die Berufswahl von Personen haben können. So seien die Befragten, die die Figur der Dana Scully kannten, eher bereit, einen Beruf im MINT-Bereich zu ergreifen, als diejenigen, die sie nicht kannten.

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Mit einem Lügendetektor-Roboter verhört Juli ihren Ex-Freund Thorsten.

 

Maria Furtwängler spielt Professorin für Elektrotechnik

Die wohl namhafteste Schauspielerin der Serie ist Maria Furtwängler, vor allem bekannt als „Tatort“-Kommissarin in Niedersachsen. In „Technically Single“ spielt sie die Professorin für Regelungstechnik Ulrike Bornholm. „Produktion und Regie hatten von Anfang an die Idee, für diese Rolle Maria Furtwängler anzufragen. Sie hat ja an der TUM Medizin studiert“, erzählt Klaus Diepold. Furtwängler engagiert sich in diversen sozialen Projekten zur Stärkung von Mädchen und Frauen, gemeinsam mit ihrer Tochter gründete sie vor einiger Zeit die Stiftung „MaLisa“. 2017 war das Ergebnis einer von ihr initiierten Studie, dass Frauen in Film und Fernsehen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind, was hohe Wellen in den Medien schlug. „Es war ein hoch gestecktes Ziel, eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen für unsere Serie zu gewinnen. Umso mehr haben wir uns gefreut, als die Zusage kam“, so Diepold.

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Maria Furtwängler spielt Julis Professorin für Regelungstechnik und ermutigt sie, sich von ihren Problemen nicht unterkriegen zu lassen.

 

Serien und Soaps bislang ohne Naturwissenschaftler/innen

Nach einem Monat, in dem die Serie nun online zu sehen ist, habe es viel positive Resonanz von Zuschauern gegeben, so die Verantwortlichen der TUM. Auch die Initiative Nationaler Pakt fĂĽr Frauen in MINT-Berufen – „Komm, mach MINT“, findet die Idee einer solchen Web-Serie sehr gut. „Eine Webserie, die das oftmals stereotype Berufswahlverhalten von jungen Frauen und Männern in den Blick nimmt und mit diesen Stereotypen spielt, ist ganz in unserem Sinne“, so Christina Haaf von „Komm, mach MINT“. 2013 habe das Projekt „MINTiFF“ der Initiative gezeigt, dass sich Jugendliche gerade an Rollenbildern in deutschen Fernsehfilmen, Serien und Soaps orientieren. „Dort bleiben wissenschaftliche Berufsmilieus jedoch weitgehend ausgespart, Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieure und Ingenieurinnen sind so gut wie nicht vertreten“, sagt Haaf.

„Sturm des Wissens“

Ein ähnliches Ziel wie nun „Technically Single“ verfolgte die Serie „Sturm des Wissens“, die im Jahr 2013 von dem Fernsehsender „MV1“ ausgestrahlt wurde. Die Verantwortlichen wollten wissenschaftliche Themen in eine leichte Soap verpacken und so vor allem junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Fächer begeistern. Entwickelt und gedreht wurde die so genannte „Science-Soap“ von Studierenden in Rostock. 

Ob es in Zukunft ähnliche gemeinsame Projekte zwischen der TUM und der HFF geben wird, steht noch nicht fest. Auch eine zweite Staffel der Serie ist noch nicht geplant. Die Macher freuen sich erst einmal über die erste Staffel, Ideen gebe es aber genug, so Klaus Diepold. „Der Abschluss der ersten Staffel ist das erste Semester – das war der Bogen, den wir spannen wollten, und natürlich gäbe es noch ein paar weitere Semester“, sagt Tobias Grabmeier dazu und macht Hoffnung auf mehr.

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Juli (2.v.l.) und ihre Kommilitonen freuen sich über den Sieg beim „hackaTUM“.

 

/ Johanna Schulze

/ Bilder: Technically Single

 

Ein Wohnwagen fĂĽr Smudo

Laura Kampf – Die Makerin und Videoproduzentin als Referentin an der H-BRS

„Schon als Kind habe ich die Frage, was ich später einmal machen möchte, gehasst“, beschreibt Laura Kampf am 25. Oktober in ihrem Vortrag an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, wie sie zu dem gekommen ist, was sie heute macht. Mit 300.000 Abonnenten auf der Videoplattform Youtube ist sie eine der erfolgreichsten – wenn nicht sogar die erfolgreichste – „Makerin“ in Deutschland. Die britische Zeitschrift „The Spectator” schreibt ĂĽber sie: „If you want to know how to make an uncomfortable-looking chair, or a skateboard cargo rack for your bike, she’s your woman.“

Früher Heimwerker – heute „Maker“

Das „Beer-Bike“ – eine Sackkarre geschweiĂźt an ein Fahrrad, der „Bit Safe“ – eine Halterung fĂĽr Akkuschrauber-Bits in einem ausgehöhlten Feuerzeug oder das „Festival-Bike“ – ein BMX-Rad mit Toilettenpapier-Halterung, Radio, Campingkocher, KĂĽhlbox und Flaschenöffner; Laura Kampf hätten manche vor einiger Zeit vielleicht als Heimwerkerin bezeichnet, heute bezeichnet man sie als „Makerin“.

Die so genannten „Maker“ bauen neue Dinge, meist indem sie alte Dinge umfunktionieren, umbauen oder miteinander verbinden. Während der Arbeit filmen sie sich und laden ihre Videos bei Youtube oder anderen Plattformen hoch. Auf die Frage, wieso ihre Videobeschreibungen und -titel immer auf Englisch sind, antwortet Laura Kampf, ohne lange zu überlegen: „Ich möchte niemanden ausschließen, wenn jemand in Amerika meine Videos schaut, soll er sie genauso verstehen können wie jemand in Deutschland.“ Zudem sei die Maker-Community in Amerika bedeutend größer als hierzulande.

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„Du versuchst, Deinen Weg zu machen und ans Ziel zu kommen“

Zeitweise wohnte Laura Kampf in ihrer Werkstatt, stellte aber fest, dass es nicht sehr angenehm ist, morgens mit Sägespänen in den Haaren aufzuwachen. Heute lebt sie in einem selbstgebauten Wohnwagen in Köln -selbst eines der größeren Projekte, das auf ihrem Youtube-Kanal zu sehen ist. Ihr Hund Smudo, dem sie kurzerhand ein kleineres Abbild ihres eigenen Wohnwagens gebaut hat, ist stets dabei. Als Kind habe man ihr oft gesagt „Mach†doch, was Du willst!“, weil sie in keine Schublade passen wollte. Ihr Abitur machte die heute 35-Jährige zum einen ihren Eltern zuliebe, zum anderen um noch ein paar Jahre Zeit zu haben, zu überlegen, wie die Zukunft aussehen soll. Schon während der Schulzeit jobbte sie in den verschiedensten Bereichen, aber nie konnte sie etwas so begeistern, dass sie es länger als ein paar Monate machen wollte.

Anfangs wollte sie Cutterin werden, dann Kameraassistentin, schließlich landete sie in Düsseldorf und studierte Kommunikationsdesign. Oft sah sie sich mit der Kritik konfrontiert, dass sie die Dinge, die sie anfange, nicht zu Ende bringe. „In Deutschland wachsen wir damit auf, immer alles planen zu müssen, das hat mich irgendwie gelähmt. In Amerika zum Beispiel ist es okay, auch mal etwas falsch zu machen oder etwas einfach mal gegen die Wand zu fahren. Ich sehe das Ganze gelassener, wie ein Spiel: Du versuchst, deinen Weg zu machen und ans Ziel zu kommen. Irgendwann wirst du richtig gut darin, zu scheitern und neue Lösungen zu finden“, sagt Laura Kampf und ruft die zuhörenden Studierenden dazu auf, Dinge einfach auszuprobieren und zu schauen, wohin sie führen.

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Tätowiermaschine als Wendepunkt

Während ihres Studiums des Kommunikationsdesigns in Düsseldorf belegte Laura Kampf ein Seminar in dem man „Alltagsgegenstände“ kreieren sollte. Dort baute sie eine Tätowiermaschine. Danach war klar, was sie machen möchte, es fehlte nur noch das „Wie“. Auf der Suche also nach einem passenden Job, arbeitete sie an verschiedenen Stellen, die sie fachlich weiterbrachten und bei denen sie Zugang zu großen, bislang unbekannten Maschinen hatte. Schließlich suchte sie sich eine eigene Werkstatt und baute Möbel und Lampen. Dort stellte sie fest, dass sie nichts für den breiten Markt machen wollte „Ich will geile Sachen machen und nicht die, die allen gefallen.“ So entstand ihr persönlicher Traum: „Ich wache morgens auf und habe eine Idee und gucke, wohin sie mich führt.“

Laura Kampf: Tätowierte Banane

Mit der selbstgemachten Tätowiermaschine lassen sich auch Bananen tätowieren. Der Clou dabei: man braucht keine Farbe.

„Ich musste ins Internet“

Finanziell hielt sich Laura Kampf mit dem Verkauf von Lampen und mit Rücklagen über Wasser. Im Studium probierte sie einiges auf Youtube aus und stellte irgendwann fest, dass ihr der Kanal eine Jobchance bot. „Ich wusste, ich habe in der Realität keine Chance, also musste ich ins Internet“, erzählt sie. Ihr Logo und ihr heutiges Konzept standen relativ schnell, sodass sie gleich loslegen konnte. Dass die ganze Sache so groß werden würde, damit habe sie nicht gerechnet. Nach einigen Monaten meldete sich der erste Sponsor bei ihr, sodass sie heute von ihrer Arbeit leben kann ohne ihre Ideen marktkonform umgestalten zu müssen. Jeder Partner sieht das fertige Produkt gemeinsam mit den 300.000 Abonnenten erst, wenn das Video online geht.

Die Kamera, meist auf einem Stativ befestigt, bedient sie selbst, auch das Schneiden der Videos übernimmt sie als gelernte Cutterin selbst. In der Regel lädt sie jeden Sonntag ein neues Video von einem ihrer Projekte auf Youtube hoch, jeden Montag muss ihr dann etwas Neues einfallen. „Montags habe ich immer meine Blockade. Mittlerweile bin ich aber gelassener, irgendwann fällt mir immer etwas ein, manchmal erst mittwochs. Ich sage mir aber auch, dass es nicht das Ende der Welt ist, falls ich mal sonntags kein Video hochlade.“.

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Auf Laura Kampfs Youtube-Seite kann man sich inspirieren lassen.

Zusammenarbeit unter „Makern“

„Man sagt immer, man soll seine Kindheits-Helden nicht treffen, weil sie in der Realität womöglich ganz anders sind, als man sie sich vorgestellt hat. Bei der Maker-Community trifft das definitiv nicht zu“, schildert Laura Kampf ihre Erfahrungen. Ihre persönliche Ikone ist Adam Savage. Der US-amerikanische Schauspieler, Modellbauer und „Maker“ wirkt seit 2012 an dem Youtube-Kanal „Tested“, der derzeit etwa 4 Millionen Abonnenten hat, mit. Mittlerweile haben er und Laura Kampf einige gemeinsame Projekte realisiert, beispielsweise eine tragbare Vorrichtung, um Klebebänder mit einer Hand abzurollen und ein Stück abzureißen. „Ich bin mit sehr vielen Menschen in Kontakt getreten und die entstandene Community motiviert mich immer wieder“, beschreibt sie das Verhältnis unter den „Makern“.

„Es wird immer Wege geben, Geschichten zu erzählen“

Auf die Frage, wo sich Laura Kampf in der Zukunft sieht, hat sie eine klare Antwort. Würde es keine Plattform wie Youtube mehr geben, dann würde sie eben einen anderen Weg finden, ihre Geschichten zu erzählen. Mittlerweile hat sie ihre Person als eine Marke aufgebaut, die sie weiter stärkt. Sei es mit Vorträgen wie diesem oder Projekten mit der Community. Wichtig sei für sie, weiterhin unabhängig zu bleiben. Gemeinsam mit einem Team zu arbeiten sei zwar schön, aber dadurch wäre sie auch weniger flexibel: „Meine Videos leben davon, dass ich morgens aufstehe und Sachen mache, die mir einfallen.“ Konkurrenzgedanken habe sie dabei keine. Ganz im Gegenteil, je mehr Menschen mitmachen, desto stärker werde die Branche.

Ihren begeisterten Zuhörern gab sie mit auf den Weg, offen zu sein, für Möglichkeiten, die sich bieten. Sie selbst werde die Frage, was sie einmal werden möchte, nie beantworten können: „Meine größte Stärke ist, dass ich mich nicht auf eine Sache konzentrieren kann. Mir fallen immer neue Dinge ein und eine schlechte Idee kann am Ende auch irgendwie eine gute sein.“

Laura Kampf war eine der Vortragenden der Ringvorlesung zur Zukunft in der Technikkommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Im Wintersemester 2018/19 präsentieren jeden Donnerstag Medienprofis ihre Arbeitsfelder“.

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Zum Schluss stellte sich Kampf den Fragen des Publikums.

/Text: Paulina Zacharias

/Bilder: Juliane Schneider/Nina Kim Leonhardt

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Die „technikfreundinnen“ sind online

Technik – Gender – Journalismus hat jetzt auch einen Instagram-Account. Seit Juni 2018 sind die „technikfreundinnen“ online. Die Zielgruppe sind Mädchen zwischen 13 und 17 Jahren. In den Beiträgen besuchen wir Technik-Ferienprojekte für Mädchen und stellen Technik-Pionierinnen und Computerspiele wie beispielsweise Serena Supergreen vor. Mit Bildern versuchen wir zu zeigen, wie schön, spannend, kreativ und vor allem wie vielfältig Technik sein kann. Da auch sehr junge Mädchen angesprochen werden sollen, war uns zunächst das Thema „Wie bewege ich mich sicher auf Instagram?“ wichtig. Einmal in der Woche haben wir in unseren Stories einen Teilaspekt davon vorgestellt, zum Beispiel „Wie kann ich kontrollieren, wer meine Beiträge sieht?“, „Was mache ich, wenn mir jemand ständig nervige Nachrichten schickt?“ oder „Wie schütze ich mein Konto vor fremden Zugriffen?“.

Instagram und Youtube bei Mädchen beliebt

Hintergrund des Instagram-Accounts sind Gruppendiskussionen, die wir im Frühjahr 2018 an fünf Gymnasien der Region Bonn-Rhein-Sieg mit Mädchen der 7. und 8. Klassen zum Thema Technik geführt haben. „Wie können Journalistinnen und Journalisten so über Technik berichten, dass sie auch das Interesse von Mädchen wecken?“ wollten wir von ihnen wissen. Dabei haben uns die Mädchen einen Einblick in ihr Verständnis von Technik gegeben und davon berichtet, welche Medien sie auf welche Art und Weise nutzen. Das Videoportal Youtube und der Foto-Blogger-Dienst Instagram stehen dabei ganz oben auf der Liste der genutzten Medien. Bei Youtube suchen die Mädchen gezielt auch nach Tipps und Tricks zu technischen Themen.
Die Gruppendiskussionen haben zudem gezeigt, dass gemeinsame Interessen in der Peer Group sehr wichtig sind. Interessiert man sich für die Reparatur des eigenen Smartphones, möchte man die Fragen und Infos dazu auch mit den Freundinnen teilen. Anhand dieser Erkenntnisse ist der Name unseres Accounts „technikfreundinnen“ (LINK: https://www.instagram.com/technikfreundinnen/) entstanden.technikfreundinnen_screenshot

Kreativ mit Technik

Der Instagram-Account ergänzt die bisherige Social-Media-Präsenz unseres Projekts. Dabei richten wir uns, anders als bei Facebook und Twitter, an junge Mädchen, die wir mit interessanten Beiträgen für das Thema Technik begeistern möchten. Wir wollen zeigen, wie vielfältig Technik sein kann, wo sie überall zu finden ist und dass Frauen genauso gut Technik entwickeln können wie Männer. Der Account wird bereits jetzt von über hundert Nutzern und Nutzerinnen abonniert, unter anderem auch von Projekten, die ebenfalls technisches Interesse bei Mädchen wecken wollen.

/Paulina Zacharias

Foto: Paulina Zacharias

Professorin Dr. Carmen Leicht-Scholten engagiert sich fĂĽr das Thema soziale Verantwortung von Ingenieurinnen udn Ingenieuren

Soziale Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren

Carmen Leicht-Scholten ist ganz in ihrem Element: Mit der nötigen Freiheit durch Headset und Laserpointer ausgestattet durchquert sie den Raum hinter dem Rednerpult von rechts nach links. Sie spricht engagiert und schnell. Immer wieder unterbricht sie ihren Vortrag durch Fragen an die angehenden Ingenieur/-innen und Technikjournalist/-innen der Hochschule Bonn-Rhein Sieg, nimmt deren Einschätzungen und Fragen auf und entwickelt so zusammen mit dem Auditorium das Thema ihres Vortrags: Die soziale Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren.

Damit lebt die Professorin der RWTH Aachen die zentrale Botschaft ihres Vortrags am 28. Juni quasi vor: Ja, Ingenieurinnen und Ingenieure haben insbesondere in einer Zeit, in der die Technik unser aller Leben immer mehr durchdringt, auch eine soziale Verantwortung. Dieser gerecht zu werden, ist aber gar nicht so schwer: Möglichst viele und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen sollten beteiligt werden, wenn etwa Ideen zu den Funktionalitäten von Smart Homes entwickelt und erste Umsetzungen diskutiert werden.

EU-Konzept Responsible Research and Innovation

Mit ihren Thesen ist die Inhaberin der sogenannten Brückenprofessur für Gender und Diversity in den Ingenieurwissenschaften nicht allein. Sie weiß sogar die EU-Kommission hinter sich. Denn diese hat im Zuge der Entwicklung des bald auslaufenden Europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 das Konzept für „Responsible Research and Innovation (RRI)“ ausgearbeitet. Auf einer eigenen Website werden die sechs normativen Richtlinien der RRI erläutert und Umsetzungsszenarien aufgezeigt: Ethik, Gleichstellung der Geschlechter, Unternehmensführung mit geteilter Verantwortung, freier Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, aktive Einbeziehung der Bürger/-innen in Forschungs- und Entwicklungsprozesse und entsprechende Bildung, die sie hierzu in die Lage versetzt.

Der normativer Rahmen für RRI: Ethik, Gleichberechtigung der Geschlechter, Regierung, offener Zugang, öffentliches Engagement und naturwissenschaftliche Ausbildung

Die Leitlinien des Resposible Research and Innovation-Konzepts (RRI), Quelle: RRI-Toolkit, rri-tools.eu

Ethik-Grundsätze des Vereins Deutscher Ingenieure

Doch auch auf deutscher Ebene hat die Professorin Rückendeckung. Sie wirft die Ethischen Grundsätze des Ingenieurberufs des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) an die Wand, und es entsteht der Eindruck, dass manch eine/r staunt, als er oder sie dort liest, Ingenieure und Ingenieurinnen sollten nachhaltige Lösungen und sinnvolle Entwicklungen vorantreiben und sich ihres Handelns in technischer, gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Sicht bewusst sein. Sie sollten fach- und kulturübergreifend über Wertevorstellungen diskutieren und sich zur ständigen Weiterbildung verpflichten. Leicht-Scholten konstatiert nüchtern: „Die Leitlinien zur sozialen Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren sind da; es kennt sie nur keiner.“ Daher ist es ihr Anliegen, diese in Ausbildung und Studium zu verankern.

Diverse Crash-Test Dummys

Hierbei ist der Professorin qua ihrer Denomination die Berücksichtigung diverser Bedürfnisse an die Technikentwicklung besonders wichtig. Sie erläutert dies anhand des bekannten, aber sehr einleuchtenden Beispiels von Crash-Test Dummys. Die Position der Autogurte orientierte sich zunächst an einem 80 Kilogramm schwerer Durchschnitts Mann, und bot damit vielen, die dieser Norm nicht entsprachen, keinen Schutz, sondern war vielmehr gefährlich (wie z.B. für schwangere Frauen). Mittlerweile gibt es unterschiedliche Dummies, die die Proportionen von Männern, Frauen und Kindern, kleinen und großen Menschen wiedergeben und dadurch zu mehr Sicherheit für alle führen. Ein Team aus diversen Entwickler/-innen hätte vielleicht eher ein Gurtsystem entwickelt, das verschiedenen Körpergrößen, Geschlechtern und Proportionen angepasst ist, so die Gender- und Diversity-Expertin.

Lösungen durch Dialog

Ingenieur/-innen, die ihre Verantwortung in der Gesellschaft aktiv gestalten, sollten sich also fragen wer ihre Produkte anwenden wird. Zusätzlich könnten sie ihre Anwender/-innen fragen, welche Wünsche sie an eine neue technische Entwicklung haben. Dies ist insbesondere bei den großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie Globalisierung, Klimawandel und Ressourcenknappheit, neue Arbeitsformen durch Digitalisierung oder weltweite Gesundheit, von Bedeutung. In anderen Ländern, wie den USA, ist man hier schon weiter, so Leicht-Scholten. Aber auch deutsche Unternehmen, die international agieren, haben sich dem Konzept der verantwortungsvollen Forschung und Technologie-Entwicklung verschrieben. „In meine Vorlesungen lade ich gerne  Personalverantwortliche großer international agierender Unternehmen ein“, berichtet die Professorin, „diese erklären den Studierenden dann, welchen Mehrwert dies für das Unternehmen hat: Stärkung der Glaubwürdig- und Innovationsfähigkeit sowie Wettbewerbsfähigkeit durch ein Alleinstellungsmerkmal. Umgekehrt ermuntert sie die angehenden Ingenieur/-innen, nach den Ethik-Regeln eines Unternehmens zu fragen, wenn sie sich dort bewerben.

Deutscher Ethik-Rat ohne Ingenieur/-innen

Noch hat auch die Politik Ingenieurinnen und Ingenieure offenbar nicht als potenzielle Ratgeber/-innen bei ethischen Fragen entdeckt. Und es bedarf gefühlt sieben Antworten der Studierenden auf die Frage, wer aus ihrer Sicht im Deutschen Ethikrat sitzen sollte, bis zuletzt eine Studentin auf die Idee kommt, dass ein Ingenieur oder eine Ingenieurin doch auch dazu gehören sollte. „Fehlanzeige“, löst Leicht-Scholten die aufgekommene Spannung auf, „bis heute sind dort noch keine Ingenieurinnen und Ingenieure vertreten“.

Carmen Leicht-Scholten war eine der Vortragenden der Ringvorlesung zur Technik- und Umweltethik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die sich im Sommersemester 2018 dem Thema „CO2-Entzug – Climate Engineering – Negativemissionen“ gewidmet hat. Weitere Informationen zu der von Professorin Dr. Katharina Seuser seit 2013 jährlich organisierten Ringvorlesung finden Sie unter www.technik-umwelt-ethik.de.

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Foto: dmi

Grafik: FundaciĂłn Bancaria „la Caixa“: RRI -Tools, European Project for Responsible Research and Innovation Toolkit. Online unter: https://www.rri-tools.eu/de

 

KIM Studie 2016. Themeninteressen von Jungen und Mädchen. Jungen und Mädchen sind sehr interessiert an Freundschaften und Smartphones. Sport, Computer und Konsolenspiele sind besonders bei Jungen beliebt, während Mädchen an Tieren, Musik und Mode interessiert sind. Das Interesse an Technik liegt bei allen Kindern weiter hinten, wobei 22 Prozent der Jungen an Technik sehr interessiert sind.

Interesse an Technik wissenschaftlich untersucht

Welches Interesse an Technik haben Mädchen und Jungen, Männer und Frauen? Und wie hat es sich über die Jahre verändert? Ein Blick in aktuelle Studien.

Interesse an Technik von Kindern

Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest hat im Jahr 2016 in der seit 1999 regelmäßig durchgeführten KIM-Studie (Kinder und Medien) untersucht, für welche Themengebiete sich Kinder besonders interessieren. Dafür hat er 1229 Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren befragt, 51 Prozent Mädchen und 49 Prozent Jungen. Beleuchtet wurden vor allem Medieninteressen der Kinder, gerade in Bezug auf Digitalisierung, Internet, Handy und Computernutzung. Es geht aber auch um Freizeitgestaltung und weitere Interessen.

Handys und Computer sind wichtiger als Technik

Das Ergebnis: Technik und technische Themen spielen bei Kindern eher eine untergeordnete Rolle. Mit Abstand an erster Stelle sind die „Freunde und Freundschaften“ (95 Prozent), hierfür interessieren sich sowohl Jungen als auch Mädchen in besonderem Maße. Es folgen die Schule (mit 70 Prozent) und der Sport (mit 69 Prozent). Die Themen Handy (Platz 4.), Internet/Computer/Laptop (Platz 6) und Computer/Computerspiele (Platz 7) liegen im oberen Mittelfeld. Der Themenbereich „Technik“ liegt auf dem 15. Platz, gefolgt nur noch von „Fremde Länder“ (39 Prozent) und „Aktuelles Weltgeschehen“ (30 Prozent). Auf der anderen Seite geben immerhin 45 Prozent der Kinder an, sich für „Technik“ zu interessieren oder sehr zu interessieren.

Interesse an Technik von Jungen und Mädchen ist unterschiedlich

Dabei geben Jungen im direkten Vergleich mit den Mädchen häufiger an, dass sie sich sehr gerne mit Technik beschäftigen. Während sich nur 3 Prozent der Mädchen für Technik begeistern können, sind es in derselben Altersgruppe 22 Prozent der Jungen. Diese favorisieren Bereiche wie Computer, Handy, Sport und Computerspiele, bei den Mädchen sind die Top-Themen Tiere, Kleidung und Schule.  Im Bereich Umwelt und Natur liegen die Mädchen vorne: 15 Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Jungen bekunden hier sehr großes Interesse.

Handynutzung auf dem zweiten Platz

Allerdings zeigt die KIM-Studie auch, dass mit zunehmendem Alter vor allem die Medienthemen wie Handy und Social Media wichtiger werden. Bei der Handynutzung sind kaum Unterschiede zwischen den Gechlechtern vorhanden. Hier geben 37 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Jungen an, sich sehr fĂĽr Handy und Social Media zu interessieren. Bei den „Ich interessiere mich sehr fĂĽr…“-Themen liegt die Handynutzung auf dem zweiten Platz, nur ĂĽbertroffen von der „Freunde/Freundschafts“-Sparte, die bei beiden Geschlechtern äuĂźerst beliebt ist.

Vergleich mit 2006: Technikinteresse konstant

Vergleicht man die Ergebnisse mit denen, die zehn Jahre vorher (im Jahre 2006) in der KIM-Studie erhoben wurden, fällt auf, dass sich an den Reihenfolgen der Interessensgebiete nur wenig geändert hat. Hier wurden 1203 Kinder, davon 49 Prozent Mädchen und 51 Prozent Jungen, im selben Alter zu ähnlichen Themen befragt. Auch hier liegen die Freunde und Freundschaften bei beiden Geschlechtern an erster Stelle. Dabei gaben insgesamt 96 Prozent der Kinder an, dass sie sich für Freunde interessieren oder sehr interessieren. Auf Platz zwei liegt Musik (80 Prozent), auf Platz drei der Sport (78 Prozent). „Technik“ belegt den vorletzten Platz mit insgesamt 46 Prozent. Auf dem letzten Platz liegen „Autos“ mit 44 Prozent, dieser Bereich wurde 2016 nicht mehr erhoben. „Technik“ war somit schon damals für die Kinder weniger interessant, wobei immerhin die Hälfte aller Kinder 2006 ein Interesse an Technik bekundet hat. Auch das Geschlechterverhältnis hat sich in dieser Sparte kaum verändert. 3 Prozent der Mädchen und 26 Prozent der Jungen zeigten sich sehr interessiert. Themen wie Handys und Computer lagen 2006 im Mittelfeld der Interessen. Gerade bei Handys war allerdings schon damals das Interesse bei Mädchen und Jungen gleich. 21 Prozent der Mädchen und 22 Prozent der Jungen gaben an, sich sehr für dieses Thema zu interessieren.

Handys und Computer immer wichtiger fĂĽr Kinder

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kinder zwar durchaus Interesse an technischen Themen zeigen, dieses im Vergleich aber nicht so stark ist wie bei anderen Themengebieten. Das geringere Technikinteresse der Mädchen hat sich seit 2006 kaum geändert. Interessant ist jedoch: Bei Medientechnik sieht das anders aus. Nicht nur sind Themen wie „Handys“ und „Computer“ mit den Jahren für Kinder interessanter geworden, sodass sie sich nun im oberen Mittelfeld der Themengebiete befinden. Gerade bei „Handys“ sind die Interessen von Mädchen und Jungen gleich stark und das nicht erst seit Kurzem. Schon vor 10 Jahren gab es hier zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied.

 

Technikinteresse von Erwachsenen

Welches Interesse Erwachsene daran haben, die neueste Technik zu verstehen, haben die Wochenzeitung Die ZEIT und das Institut für angewandte Sozialwissenschaft Berlin im Jahr 2015 untersucht. In der Umfrage zum Technikinteresse bei Erwachsenen mit 3104 Teilnehmern zeigten sich ebenfalls Unterschiede zwischen den Geschlechtern. 39 Prozent der Frauen und 59 Prozent der Männer haben an, die neuesten technischen Entwicklungen verstehen zu wollen. Kein Interesse an technischen Themen bekundeten 18 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer.

Mediennutzung von Erwachsenen

Die KIM-Studie hat gezeigt, dass das Interesse an Medientechnik und damit verbunden den sozialen Medien, mit steigendem Alter zunehmen. Die Informationsbeschaffung über die sozialen Medien ist Thema einer Befragung der TommorowFocus-Media-Gruppe 2015. Hier wurden 589 Teilnehmer gefragt, nach was sie bei Facebook, Twitter und Co. suchen. 27 Prozent der Frauen gaben an, sich explizit über Technik zu informieren, bei den Männern waren es 56,7 Prozent. Auch bei Finanzen und Autos zeigte die männliche Teilnehmergruppe vergleichsweise mehr Interesse, während die Frauen häufiger Interesse an Themen aus dem Gebiet Mode und Lifestyle angaben.

 

Quellen:

Bild: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: KIM Studie 2016. Online unter: https://www.mpfs.de/studien/kim-studie/2016/

Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (2016): KIM-Studie 2016. Online unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2016/KIM_2016_Web-PDF.pdf [Abrufdatum 02.05.2018]

Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (2006): KIM-Studie 2006. Online unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2006/KIM_Studie_2006.pdf [Abrufdatum 02.05.2018]

TomorowFocus-Media-Gruppe (2015): Informationsbeschaffung ĂĽber soziale Medien. Online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/218295/umfrage/informationsinteresse-der-nutzer-von-sozialen-netzwerken-nach-beliebtesten-themen/ [Abrufdatum 02.05.2018]

ZEIT/ Insitut fĂĽr angewandte Sozialwissenschaft Berlin (2015): Technikinteresse. Online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/631662/umfrage/neueste-technik-verstehen-nach-geschlecht-in-deutschland/ [Abrufdatum 02.05.2018]

/Franziska Franken

 

Ähnliche Themen:

https://gender2technik.com/2018/02/24/technik-in-frauenzeitschriften/

https://gender2technik.com/2017/02/23/frauenanteil-in-mint-studiengaengen-steigt/

https://gender2technik.com/2017/01/12/an-technik-fasziniert-mich-dass/

https://gender2technik.com/2017/04/25/gender-und-technik-literatur/

 

HITECH CAMPUS it

Karriereperspektiven fĂĽr MINT-Studentinnen

Arbeitgeber fĂĽr junge Ingenieurinnen und Informatikerinnen

Wie geht es weiter, wenn ich den Hochschulabschluss in der Tasche habe? Was gibt es für Möglichkeiten? Wo soll ich mich bewerben? Vor dieser Frage stehen nicht wenige Studentinnen und Studenten am Ende ihres Studiums. Bei MINT Absolventinnen herrscht besonders große Unsicherheit: Oft gibt es keine Vorbilder, keine Orientierungshilfe. Frauen sind in technischen Berufen immer noch unterrepräsentiert – und der Einstieg in die Arbeitswelt ist eine Hürde, die Studentinnen erst nehmen müssen. Wie kann ich den richtigen Arbeitgeber für mich finden? Welche Möglichkeiten gibt es für mich, in einem technischen Beruf zu arbeiten?

Female Engineering

Die Karrierezeitschriften „Hitech Campus“ und „Hitech Campus it“ stellen einmal im Quartal mögliche Arbeitgeber fĂĽr Hochschulabsolventen im Bereich Ingenieurwissenschaften und Informatik vor. Jährlich steht dabei eine Ausgabe unter dem Motto „Female Engineering“ – Karriereperspektiven fĂĽr junge Ingenieurinnen und Informatikerinnen. Seit 2016 kommen hier Frauen zu Wort, die in den bis heute männlich dominierten Berufen FuĂź gefasst haben. Sie erzählen von ihrem Werdegang und ihrer täglichen Arbeit. Vor allem aber werden Arbeitgeber vorgestellt, die fĂĽr Frauen in Ingenieur- und Informatikstudiengängen attraktiv sein könnten.

Orientierung fĂĽr Absolventinnen in MINT

Beide Zeitschriften werden von der Evoluzione Media AG verlegt, die sich auf die Rekrutierung junger akademischer Absolventen und Absolventinnen in verschiedenen Fachbereichen spezialisiert hat. Studierende sollen über Unternehmen informiert werden, an die sie bei ihrer bisherigen Suche nach einem späteren Arbeitsplatz vielleicht noch nicht gedacht haben. Arbeitgeber stellen sich vor und werben für eine Laufbahn in ihren Unternehmen. Dabei setzen die Macher auf persönliche Geschichten, Laufbahnen junger Mitarbeiter, Portraits und Ideen. Frauen berichten von ihrem Alltag im Unternehmen, ihren Aufgaben und Herausforderungen. Sie erzählen auch davon, wie es ist, als Frau in einem Männerberuf zu arbeiten. Negative Eindrücke kommen dabei selten zur Sprache. Die Unternehmen werden durchweg als gute Arbeitgeber präsentiert.

Trotzdem bieten die Zeitschriften gerade für Absolventinnen eine Erweiterung des Horizonts. Die verschiedenen Unternehmen und aufgezeigten Perspektiven können bei der Orientierung helfen. Ob im Bereich Mobilität, Handel oder Werkstoffforschung, Gaming-Branche oder Luft- und Raumfahrttechnik. Die Liste der vorgestellten Arbeitgeber ist lang. Und neben großen Namen wie Lidl, Edeka, Telekom und ThyssenKrupp präsentieren sich auch Spartenunternehmen, an die Berufseinsteigerinnen nicht unbedingt denken.

 

Die Ingenieurausgabe zum Themenspecial „Female Engineering“ erscheint dieses Jahr am 15. Juni, ebenso die IT-Ausgabe. Einige Exemplare liegen in Hochschulen aus, die meisten Beiträge sowie weitere Portraits von Frauen in Technikfirmen stehen auch auf dem Online-Portal der Hitech Campus Zeitschriften zur Verfügung: http://hitech-campus.de

/Franziska Franken

Foto: Hi Tech Campus

Grafik: Wunschthemen und Technik in Frauenzeitschriften

Mode, Make-up oder Motoren?

BA-Thesis zeigt: Leserinnen wĂĽnschen sich mehr technische Inhalte in Frauenzeitschriften

Frauen wollen in den an sie adressierten Zeitschriften zukünftig mehr über Technik lesen. So das Ergebnis einer Abschlussarbeit des Studiengangs Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Teilnehmerinnen der Erhebung kritisierten das derzeitige Angebot an Frauenzeitschriften vor allem wegen seiner Oberflächlichkeit. Die Themen spiegelten in ihren Augen nicht die Meinungen und Lebensweisen der aktuellen, modernen Frau wider. Die Probandinnen wünschten sich ein breiteres Themenspektrum, das über das bisherige Angebot am Frauenzeitschriftenmarkt hinausgeht. Neben Themen wie alltagstauglicher Mode, Ernährung, Sport und Psychologie sollten auch handwerkliche und technische Themen stehen.

Praktischer Nutzen durch Handwerktipps

Dass Frauen grundsätzlich weniger an Technik interessiert seien, konnte in der Studie – zumindest für die befragten sechs Frauen – widerlegt werden. Und auch die Aufbereitung technischer Texte sollte nicht einfacher, sondern stärker mit Bezug zu den Anwenderinnen gestaltet sein. Die Probandinnen, deren Wünsche an Frauenzeitschriften anhand einer Gruppendiskussion ermittelt wurden, wollen sich mit dem jeweiligen Thema identifizieren und im besten Falle einen praktischen Nutzen aus der Lektüre ziehen.

Die Teilnehmerinnen der Gruppe waren zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 20 und 54 Jahren alt und unterschieden sich in ihren beruflichen Tätigkeiten. Umso interessanter war es, dass alle Probandinnen ähnliche Ansprüche an eine neue Frauenzeitschrift und die Darstellung technischer Inhalte hatten. Auch wenn die Gruppendiskussion nur einen sehr kleinen Ausschnitt der weiblichen Bevölkerung abbildet, können auf Basis ihrer Ergebnisse weitere Forschungen zu eine Konzept für eine neue Art von Frauenzeitschriften, die auch Leserinnen unterschiedlichen Alters ansprechen könnte, betrieben werden.

Grafik: Wunschthemen in Frauenzeitschriften

So könnte die Themenverteilung einer neuen Generation von Frauenzeitschriften nach der Studie aussehen. Dargestellt ist die Anzahl der Teilnehmerinnen (Grundgesamtheit n=6) der Gruppendiskussion, die für das jeweilige Thema stimmen, sowie der Anteil, den das Thema am gesamten Inhalt erhalten soll. Quelle: Schneider

Bachelorthesis: Juliane Schneider (2016): Mode, Make-up oder Motoren – Eine qualitative Untersuchung zur inhaltlichen Konzeption von Frauenzeitschriften. Studiengang Technikjournalismus/PR der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Gender Studies als kritische Wissenschaft

Warum gibt es eigentlich diesen Blog und warum betreiben wir Geschlechterforschung? Auch wir wollen anlässlich des Aktionstages #4genderstudies am 18. Dezember 2017 erläutern, wozu wir arbeiten und forschen und warum es sich bei den Gender Studies um eine Wissenschaft handelt.

Wir lehren und forschen in einem interdisziplinären Fachbereich, in dem die Studiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus angeboten werden. Die angehenden Technikjournalistinnen und –journalisten sollen lernen, Technik multimedial und gut verständlich zu vermitteln. Zugleich erwarten wir von ihnen eine kritische Begleitung neuer technischer Entwicklungen. Sie sollen ihren Userinnen und Usern dabei helfen, die Bedeutung künstlicher Intelligenz für die Gesellschaft einzuschätzen, aber auch erklären, wer wieviel Geld in welche technischen Entwicklungen investiert und welche Interessen damit verbunden sind.

Die Gender Studies helfen mit ihrem analytischen und kritischen Blick dabei, genau diese Fragen zu stellen und zu beantworten: Exemplarisch für viele andere Kategorien, die unsere Gesellschaft strukturieren, zeigen sie: Nicht jede technische Entwicklung kommt gleichermaßen Jungen und Alten, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder Männer und Frauen zugute. Und diejenigen, die Forschungsgelder in Technik investieren, tun dies nicht immer zum Wohle aller Mitglieder einer Gesellschaft.

Auf einer pragmatischen, durchaus wirtschaftlich nutzbaren Ebene können die Gender Studies aber auch dabei helfen, Deutschland innovativer zu machen und das Potenzial und die Ideen von Frauen dabei zu nutzen. Und das ist nötig: An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg studierten im Wintersemester 2016/17 im BA-Studiengang Elektrotechnik 7,6 Prozent Frauen und im Maschinenbau 10,3 Prozent. Laut einer OECD-Studie von 2015 können sich lediglich 15 Prozent der Eltern in Deutschland für ihre Tochter einen Ingenieurberuf vorstellen. Dagegen sehen 40 Prozent in ihrem Sohn den Ingenieur in spe. Aber auch zu den Leser/-innen der Zeitschrift Technology Review zählen nur 10 Prozent Frauen und unter den zehn angesagtesten deutschen Technik-Youtubern gibt es nur ein Team, das aus einer jungen Frau und einem jungen Mann besteht. Die anderen neun Kanäle, die der Corporate Blog Magix im Juli 2016 vorgestellt hat, werden von jungen Männern produziert.

Mit Hilfe der Gender Studies fragen wir, warum Technik in Deutschland immer noch überwiegend mit Männlichkeit konnotiert wird und sich dies auch in der Mediennutzung widerspiegelt. Wir analysieren die Technikberichterstattung deutscher und internationaler Medien und fragen, welche Technikbilder hier vermittelt werden.

In Lehrforschungsprojekten entwickeln wir Ideen für eine Technikberichterstattung, die Technik nicht nur in „männliche“ Lebenszusammenhänge, sondern genauso in „weibliche“ einbettet. Dabei verstehen wir „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ als Kategorien, die ständigen Verschiebungen und Veränderungen unterliegen und nicht essentialistisch festgelegt sind. Ein Beispiel sind unsere Fotoreportagen mit Ingenieurinnen. Unserer Studierenden haben sie mit der Kamera begleitet und nach ihrem Technikverständnis gefragt:

Zu den Fotoreportagen „So sehen Ingenieurinnen aus“

/kim/ske

Variable(s) Geschlecht

Einblicke in Vorträge der Tagung der Fachgesellschaften für Geschlechterforschung/-studien

Oft wird der Geschlechterforschung selbst der Vorwurf gemacht, heteronormative gesellschaftliche Standards zu reproduzieren. Sie verweise beständig auf geschlechtliche Dichotomien oder nutze diese unhinterfragt als „Mann-Frau-Variable“ in quantitativen Umfragen und Analysen, um auf bestehende Ungerechtigkeiten oder Ungleichheiten hinzuweisen. Wie kann man in derartig angelegten Untersuchungen Menschen mit intersexueller Identität abbilden, ohne zu diskriminieren oder den Datenschutz zu verletzen? Auf der Tagung der Fachgesellschaften für Geschlechterstudien „Aktuelle Herausforderungen der Geschlechterforschung“ von 28.-30.9.2017 an der Universität zu Köln, widmete sich ein Panel der Geschlechtsabfrage in quantitativen Forschungen. Unter der Ägide von Chairman Dirk Schulz gab es drei Vorträge, die vorwiegend aus der Praxis, also dem konkreten Umgang mit der Variable Geschlecht berichteten.

Zu 100 Prozent weiblich?

Den Anfang machte Elisabeth Kittel aus Wien, die von einer Paper-and-Pencil-Befragung aus der Soziologie berichtete, in der die Befragten sich auf einer Skala von 10-100 Prozente für ihre jeweilige gefühlte Geschlechtlichkeit geben konnten. Die Anteile mussten dabei nicht 100 Prozent entsprechen, sondern man konnte auch angeben, sich zu 80 Prozent weiblich und zu 80 Prozent männlich zu fühlen (was dann allerdings in der Auswertung auf jeweils 50 Prozent bereinigt wurde).

Über die Hälfte aller Befragten gaben an, sich nicht zu 100 Prozent einem Geschlecht zugehörig zu fühlen. Je jünger und gebildeter die befragte Person war, desto uneindeutiger fiel die Zuordnung aus. Männer gestanden sich dabei durchschnittlich maximal 20 Prozent Weiblichkeit zu, Frauen gingen im Gegensatz auch bis auf 50 Prozent runter. Frauen wünschten sich auch häufiger nicht zu 100 Prozent männliche Partner als umgekehrt.

Allerdings muss man beachten, dass diese Befragung in einem allgemeineren Rahmen stattfand, in dem es um eine Befragung zu der Vereinbarkeit von Haushalt und Beruf ging. Daher spielte der Wunsch nach einem Mann, der sich stärker im Haushalt beteiligt, wahrscheinlich eine beeinflussende Rolle.

„Mann“, „Frau“, „Sonstige“

Konkreter wurde es in dem sich anschließenden Vortrag von Michaela Müller aus Gießen, die für die empirische Sozialforschung den Vorschlag einer Nichtangabe von Geschlecht ablehnte. Die Nicht-Angabe von Geschlecht, die von einigen KollegInnen gefordert würde, würde die Realität nicht abbilden und Minderheiten das Recht auf Sichtbarwerdung und Partizipation verweigern. Allerdings wäre eine prozentuale Angabe von geschlechtlicher Identität oder auch ein offenes Feld derzeit nicht praktikabel. Bei einer derartig offenen Befragung von 500 Personen, gaben beispielsweise knapp 50 kein eindeutiges Geschlecht an, was eine Auswertung bzw. Nachkodierung schier unmöglich machte. Besser allerdings als ein drittes Feld „Sonstige“ neben „Mann“ und „Frau“ sei, so Müller, die Bezeichnung „Weitere“ da sie nicht den Beigeschmack eines seltsamen Sonderwegs trage. Das Problem eines unfreiwilligen „Outings“ bei der Befragung kleinerer Gruppen bliebe aber auch hier bestehen.

Erzwungene weibliche Schwäche im Hochleistungssport

Den Abschluss bildete ein Einblick in die zutiefst heteronorme Welt des Sports von der Sportwissenschaftlerin und Sportsoziologin Karolin Heckemeyer von der FH Nordwestschweiz. Mit teilweise verstörenden Berichten von Geschlechtertests in den 1960er-Jahren und noch heute erzwungenen Hormontherapien bei Sportlerinnen, kritisierte die Referentin die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Geschlechterdifferenzen und damit verbundener Hierarchien.

Sie sieht ihre Aufgabe als Sportsoziologin darin, hier andere Wege aufzuzeigen, Fragen nach der Chancengleichheit zu beantworten und antidiskriminierungspolitische Visionen des Sports in die Verbände einzubringen.

/kim